Vor dreißig Jahren war jeder vierte Lkw-Fahrer in unserem Land älter als 45 Jahre. Heute ist dieser Anteil auf satte 57,2% angestiegen. Dieser Trend hilft den Transportunternehmen nicht dabei, offene Stellen für Fahrer zu besetzen. Wie sieht Philippe Degraef, Geschäftsführer von Febetra, dieses Phänomen auf dem Arbeitsmarkt? Wie kann seiner Meinung nach eine gezielte Arbeitsmigration Teil der Lösung sein?
Nach Ansicht des leitenden Angestellten von Febetra gibt es kein Wundermittel zur Lösung des Arbeitskräftemangels. "Wenn es sie gäbe, wäre sie natürlich schon längst umgesetzt worden. Selbst wenn es uns gelingt, durch längere Arbeitszeiten und die Aktivierung von Arbeitslosen, Langzeitkranken und Nichterwerbspersonen die Beschäftigungsquote auf 80 Prozent zu steigern, wird das nicht ausreichen, um den Engpass auf dem Arbeitsmarkt zu beheben." Die demografischen Aussichten sind nicht besonders ermutigend. "Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter wird in den nächsten 20 Jahren in unserem Land nicht zunehmen", so Philippe Degraef. "Auf 10 Arbeitnehmer, die in den Ruhestand gehen, kommen nur acht neue, die bereit sind, ihre Arbeitsplätze zu übernehmen. Vor allem dürfen wir uns dieser demografischen Realität nicht verschließen".
Ein Teil der Lösung kann in der Digitalisierung und Automatisierung liegen. Philippe Degraef: "Einige (Teil-)Tätigkeiten eignen sich dafür besser als andere. In einem Lager ist es sicherlich machbar, menschliche Arbeit durch Maschinen und Softwareprogramme zu ersetzen. Der selbstfahrende Lkw hingegen wird allenfalls in ferner Zukunft Erleichterung bringen. Die notwendige Technik ist weit fortgeschritten, aber der rechtliche Rahmen muss noch weitgehend ausgearbeitet werden."
Laut Philippe Degraef ist die gezielte Arbeitsmigration von außerhalb der EU politisch sehr heikel, vor allem bei niedrigen Profilen. "Dies ist jedoch noch kein Grund, die Arbeitsmigration einfach vom Tisch zu nehmen. Für bestimmte Engpassprofile, wie z. B. Lkw-Fahrer, wird die Wirtschaftsmigration aus Ländern mit einem Arbeitskräfteüberschuss zu einer Notwendigkeit, um den strukturellen Engpass auf dem Arbeitsmarkt zu lösen. Um jeden Anflug von Sozialdumping sofort zu unterbinden, betonen wir von Febetra, dass ausländische Arbeitnehmer selbstverständlich den gleichen Arbeitsvertrag mit den gleichen Lohn- und Arbeitsbedingungen wie ihre belgischen Kollegen erhalten sollten. Das schafft gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Beteiligten."
Philippe Degraef: "Im Gegensatz zu den Behauptungen mancher Kreise ist Migration nicht unbedingt mit Kosten verbunden. Gezielte Wirtschaftsmigration kann tatsächlich eine Win-Win-Win-Lösung sein. Die Transporteure können mehr Umsatz machen, während die Wanderarbeiter sich nützlich machen und einen anständigen Lohn gemäß den belgischen Lohnbedingungen verdienen. Außerdem profitiert die Gesellschaft von den zusätzlichen Sozialversicherungsbeiträgen. Diese wären natürlich nicht vorhanden, wenn die ausländischen Arbeitskräfte über eine Entsendung oder alle möglichen dubiosen Modelle hier arbeiten würden."