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Schafft das Mobilitätspaket der Europäischen Kommission faire Wettbewerbsbedingungen für Verkehrsunternehmen?

Gelingt es der Europäischen Kommission mit ihrem Mobilitätspaket, fairere Wettbewerbsbedingungen für Verkehrsunternehmen zu schaffen?

Vor vier Jahren wurde das Mobilitätspaket im europäischen Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Mit diesem umfangreichen Paket von europäischen Gesetzen und Verordnungen für den Verkehrssektor, das nun seit mehr als zwei Jahren in Kraft ist, wollen die politischen Entscheidungsträger die Verkehrsvorschriften in den EU-Mitgliedstaaten vereinheitlichen, fairere europäische Wettbewerbsbedingungen schaffen und die sozialen Bedingungen für Fahrer verbessern. Haben sich diese neuen Vorschriften bereits in der Praxis ausgewirkt? Philippe Degraef, Geschäftsführer von Febetra, nimmt dazu Stellung.

Eine schwierige Geburt

"Das alte Europa und die neuen Mitgliedstaaten haben jahrelang heftig darüber diskutiert, welche Richtung die Verkehrspolitik in ihren Augen einschlagen sollte", sagte Philippe Degraef. "Noch nie war in einem Verkehrsdossier eine so deutliche Bruchlinie zwischen den Befürwortern einer liberaleren Verkehrspolitik und den Verfechtern eines strengeren Rechtsrahmens zu spüren. Beide Lager standen sich mit ihren Argumenten diametral gegenüber. Sie mussten viel Wasser in den Wein gießen, um schließlich einen Kompromiss zu finden, der - wie so oft - den einen zu weit und den anderen nicht weit genug ging."

"Insbesondere die Tatsache, dass die Fahrzeuge alle acht Wochen in das Land der Zulassung zurückkehren müssen, sorgte für Aufsehen. Litauen, Bulgarien, Rumänien, Ungarn, Zypern, Malta und Polen haben sogar den Europäischen Gerichtshof angerufen, um u. a. diese Vorschrift zu kippen, die sie als einen Angriff auf ihr Geschäftsmodell ansahen. Von allen Bestimmungen, die vor Gericht angefochten wurden, ist die 'Heimkehr' des Fahrzeugs die einzige, die der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 4. Oktober 2024 gekippt hat."

Ein ausgewogeneres Spielfeld?

Philippe Degraef: "Mit der 'lex specialis', den besonderen Entsenderegeln für den Transportsektor, der 'Abkühlung' von vier Tagen im Falle der Kabotage und der obligatorischen Rückführung des Kraftfahrzeugs in sein Heimatland alle acht Wochen wollte Europa das Kräfteverhältnis in der europäischen Transportlandschaft neu austarieren. Seit der Erweiterung der Europäischen Union leben wir in einem völlig anderen Europa und das Kräfteverhältnis hat sich radikal verändert. Die belgischen Spediteure, die vor etwa 30 Jahren zusammen mit ihren niederländischen Kollegen in der Europäischen Union das Sagen hatten, sind in der Zwischenzeit in den europäischen Rankings von Eurostat abgestürzt. Heute werden diese Ranglisten ausnahmslos von Transportunternehmen aus den neuen Mitgliedstaaten angeführt. Osteuropäische Nummernschilder sind definitiv keine Kuriosität mehr. Sie sind sogar auf den Straßen zu sehen.

Es gibt keinerlei Anzeichen für ein ausgewogeneres Spielfeld vor Ort. "Das Mobilitätspaket hat den starken Ostwind, der seit zwei Jahrzehnten über den Verkehrssektor weht, keineswegs abgeschwächt", sagt Philippe Degraef. "Das ist die wichtigste Schlussfolgerung, die wir aus den jüngsten Eurostat-Zahlen ziehen können. Die Hoffnungen der einen und die Befürchtungen der anderen, dass die europäische Verkehrslandschaft erheblich erschüttert werden würde, haben sich bisher nicht bewahrheitet."

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Nach Angaben von Viapass ist der Anteil ausländischer Lkw auf dem belgischen Mautstraßennetz praktisch unverändert geblieben.

Die europäische Verkehrslandschaft in der Praxis

Philippe Degraef veranschaulicht diese Beobachtung mit einigen eindrucksvollen Beispielen:

  • Der Anteil ausländischer Lkw auf dem belgischen Mautstraßennetz ist nach Angaben von Viapass praktisch unverändert geblieben.
  • Seit der Einführung der neuen Entsenderegeln und der "Bedenkzeit" sehen die fünf größten Taxifahrer genauso aus wie zuvor. 
  • Die Top 10 der am meisten kabotierten Länder bestehen nach wie vor ausschließlich aus westeuropäischen Mitgliedstaaten.
  • Auf polnische und litauische Unternehmen entfallen zusammen 57% des gesamten Kabotageverkehrs. Erwähnenswert ist sicherlich auch, dass der steile Aufstieg der litauischen Spediteure anhält. In zehn Jahren verzeichneten sie einen Zuwachs von 1.3001 TP3T und rückten von Platz 15 auf Platz 2 vor.
  • Im Cross-Trade-Verkehr (d. h. Beförderung von Land A nach Land B durch einen Spediteur aus Land C) haben nach wie vor die polnischen, litauischen, rumänischen, bulgarischen und slowenischen Spediteure das Sagen. Bei 80% bestehen die Top 10 im Dreiländerverkehr nach wie vor aus Spediteuren aus den neuen Mitgliedstaaten.
  • Mit 88% aller Transporte im Dreiländerverkehr haben die Spediteure aus den neuen Mitgliedstaaten immer noch eine so dominante Stellung wie in der Zeit vor dem Mobilitätspaket.

Zu erledigende Arbeiten

"Es bleibt merkwürdig, dass das Mobilitätspaket keine Auswirkungen auf den Transportmarkt hatte", schließt Philippe Degraef. "Auf dem Papier könnte sich die Kluft zwischen ost- und westeuropäischen Spediteuren nur verringern. Schließlich hat ein Fahrer nach den neuen Entsenderegeln sowohl bei der Kabotage als auch im grenzüberschreitenden Verkehr Anspruch auf den Lohn des Landes, in dem er arbeitet."

"Speziell für osteuropäische Transportunternehmen - die Cross-Trade- und Kabotage-Champions schlechthin - bedeutet dies seit gut zwei Jahren zusätzliche Kosten, die sie vorher nicht hatten. Zumindest dann, wenn sie sich strikt an die Regeln halten."

"Ob dies in der Praxis der Fall ist, lässt sich nur schwer feststellen. Tatsache ist, dass so gut wie jeder den Eindruck hat, dass die Bestimmungen des Mobilitätspakets kaum kontrolliert werden." 

"Da jeder weiß, wie verlockend es ist, Vorschriften zu missachten, die nicht durchgesetzt werden, ist die quasi fehlende Kontrolle ein entscheidender Aspekt, den die neue Europäische Kommission unbedingt in ihre geplante Überprüfung einbeziehen muss".  

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